Die DEU-Paarläufer Minerva Hase/Nikita Volodin vom Bundesstützpunkt Berlin haben ihre erfolgreiche Saison vergangene Woche bei den Eiskunstlauf-Weltmeisterschaften in Boston (USA) mit der Silbermedaille gekrönt. Im Interview berichten die Europameister vom emotionalen Moment nach der Kür, dem Stellenwert der Medaille und ihrer Vorbereitung auf die Olympiasaison.
Die Weltmeisterschaft ist Geschichte! Ihr habt nach Bronze 2024 in Boston die WM-Silbermedaille gewonnen. Wie blickt Ihr auf den Wettkampf zurück?
Minerva Hase:
Wir konnten den Wettkampf sehr erfolgreich beenden mit zwei sehr guten Programmen. Und wir haben das Hauptziel erreicht, zusammen mit Annika [Hocke] und Robert [Kunkel] zwei Startplätze für die Olympischen Winterspiele in Mailand zu holen. Daher haben wir alles erreicht, was wir erreichen wollten und die Silbermedaille war ein schöner Zusatz.
Nikita Volodin:
Ich bin ein bisschen traurig über den Abgang der letzten Hebung, aber wie wir in Deutschland sagen: 'Step by step'. Es war wichtig, dass wir einen Schritt nach oben gemacht haben. Wir haben die Small Gold Medal in der Kür gewonnen, was sehr wichtig für uns war.
Könnt Ihr den emotionalen Moment am Ende der Kür beschreiben?
Minerva Hase:
Nach der Endpose ist bei uns im gleichen Moment aller Stress und alle Anspannung der ganzen Saison abgefallen. Wir wussten, es war die letzte Kür, wir müssen in den nächsten Wochen keine Kür mehr laufen. Und mit der besten Kür der Saison abzuschließen, war natürlich noch schöner. Dann habe ich mich aufs Eis fallen lassen und kurz den Moment genossen und durchgeatmet, ohne nach oben zu schauen. Als ich dann auf die Knie bin, um Nikita zu gratulieren, habe ich gesehen, dass in der Arena alle gestanden sind und wir Standing Ovations bekommen haben. Das hat alles noch zehnmal besser gemacht. Ich glaube, dass Leute aufstehen, passiert nur bei ausgewählten Paaren, die die Menschen berühren. Dass wir das geschafft haben, weiß ich nochmal ein Stück mehr wertzuschätzen als davor. Das ist etwas, was man nicht oft in der Karriere erlebt. Es war eine schöne Abrundung, unsere ersten Standing Ovations haben wir zum Saisonstart bei der Nebelhorn Trophy bekommen.
Nikita Volodin:
Die Standing Ovations waren schon toll. Ich habe mich in dem Moment gefragt: ‚Was habe ich gemacht, dass ihr alle für uns aufsteht?‘ Ich habe mich sehr gut und frei nach dem Programm gefühlt, weil es zu Ende war und wir eine gute Arbeit gemacht haben. Die Saison ist beendet, das bedeutet kein Druck und keine Wettkämpfe mehr. Aber jetzt müssen wir auch schon wieder an die Olympiasaison denken, die sehr wichtig ist für uns und auf die wir uns vorbereiten müssen, um dort eine noch bessere Performance zu zeigen.
Minerva, trotz großer Nervosität vor dem Wettbewerb konntest Du Deine Leistung überragend abrufen. Wie gelang das?
Minerva Hase:
Es war eine Team-Leistung auf dem Eis, für die wir mental rechtzeitig fit waren. Unser Trainer Dmitri [Savin] hat uns viel positiven Zuspruch gegeben, vor allem vor der Kür. Auch durch das Training bei Knut Schubert waren wir so gut vorbereitet, dass wir den Körper einfach übernehmen lassen konnten, ohne zu viel nachzudenken. Nikita hat mir zwischendurch immer wieder gesagt, dass es kein Weltuntergang ist, wenn man Fehler in der Kür macht. Das hat mir geholfen, nicht zu sehr auf Perfektion zu pochen. Und Nikita selbst ist immer bereit (lacht).
Nikita Volodin:
Ich habe vor den Wettkämpfen Musik gehört und mir vor der Kür den Film Rocky angesehen. Das war gut (lacht). Ich hatte ein gutes Gefühl, bevor wir aufs Eis gegangen sind.
In den sozialen Medien gab es viele Kommentare von Fans, die Euch als wahre Weltmeister sehen. Wie geht es Euch mit der knappen Entscheidung, dass das japanische Paar Riku Miura/Ryuichi Kihara nach Fehlern doch sieben Zehntel Punkte vor euch lag?
Minerva Hase:
Im Endeffekt können wir die Entscheidung nicht ändern und müssen diese akzeptieren. Wir haben in beiden Programmen so viel gegeben, wie wir konnten. In der Kür haben wir 150 Prozent gegeben. Für uns heißt das, dass wir jetzt noch härter arbeiten müssen, vor allem an der Präsentation, damit dort keinen Nachteil haben. Es wäre schön, wenn wir das mit den Programmen für die Olympiasaison schaffen würden. Das gibt uns jetzt nochmal einen Schwung Motivation. Die 0,7 Punkte Abstand sind gar nichts.Von daher finde ich, dass unsere Silbermedaille trotzdem ein Stück golden ist.
Welchen Stellenwert haben die fantastischen Erfolge dieser Saison - Grand-Prix-Final-Sieg, EM-Titel, Vize-Weltmeister - für die Olympiasaison?
Minerva Hase:
Dass wir in dieser Saison bei allen Wettkämpfen in den Top Zwei waren und die meisten Wettkämpfe gewonnen haben, hat uns in der Liste des Preisgerichts nach oben katapultiert, was für eine Olympiasaison sehr wichtig ist. Positiv war auch, dass wir den Erwartungen an uns gerecht werden und uns selber beweisen konnten, dass wir ganz oben dazugehören. Das gibt uns viel Motivation, noch härter im Sommer zu arbeiten, um nächste Saison noch besser zurückzukommen.
Nach der Saison ist vor der Saison: Wie geht es in den nächsten Wochen für Euch weiter?
Minerva Hase:
Wir fliegen am Montag für vier bis fünf Tage nach Toronto und fangen dort an, das neue Kurzprogramm mit Mark Pillay und Paul Boll aufzubauen. Die Musik lassen wir von einem französischen Komponisten komponieren. Danach haben wir in Berlin zwei Wochen Training, wo wir über neue Hebungen, Pirouetten und Elemente nachdenken. Dann trainieren wir drei bis vier Wochen nicht zusammen, Nikita fliegt nach Hause und hat Urlaub und ich auch. Und wir laufen die neuen Schlittschuhe ein. Ende Mai/Anfang Juni nehmen wir das Training wieder komplett auf und studieren unsere neue Kür ein. Für die Kür werden wir mit dem weltbekannten Choreographen Benoit Richaud zusammenarbeiten. Er ist Profi für den Kür-Stil, den wir für die Olympiasaison haben wollen. Mit den beiden Programmen haben wir so eine gute Kombination und sind für Olympia gut aufgestellt.
Für die Olympia-Nach-Qualifikation im September in Peking (China) ist ein russisches Paar zugelassen. Verfolgt Ihr das Niveau der besten russischen Paare?
Nikita Volodin:
Mit dem besten russischen Paarläufer habe ich ein ähnliches Level, vielleicht etwas weniger im Technischen, weil sie einen höher bewerteten Wurf haben. Aber die anderen Elemente sind die gleichen und in den Skating Skills und der Präsentation können wir auch mithalten. Wir werden eine gute Vorbereitung machen, um noch konstanter, stabiler und sauberer zu laufen. Und bei den Preisrichtern haben wir uns durch unsere Erfolge auch einen Namen gemacht.
Werdet Ihr wieder bei der Nebelhorn Trophy in Oberstdorf (25. bis 27. September 2025) in die Saison starten?
Minerva Hase:
Wenn unsere Vorbereitungen wie geplant laufen und keine Krankheiten und Verletzungen dazwischenkommen, ist die Nebelhorn Trophy, Stand jetzt, als erster Wettkampf geplant.
Interview: Pamela Lechner
Foto: International Skating Union