Seit 2015 war Viola Striegler Bundestrainerin Einzellaufen und leitete parallel den Bundesstützpunkt in Berlin. Aus beiden Ämtern hat sie sich mittlerweile zurückgezogen und genießt es, nun wieder mehr Zeit für ihre Arbeit als Trainerin auf dem Eis zu haben. Im Interview blickt die Berlinerin auf ihre schönsten und erfolgreichsten Jahre als Coach zurück und verrät, was einen guten Trainer ausmacht.

Viola Striegler, für Sie hat in diesem Jahr ein neues Kapitel begonnen. Wie sind Sie in dem neuen Abschnitt angekommen?

Viola Striegler:
Ich war nach den vielen Jahren soweit, aus dem Verantwortungsbereich zurückzutreten und freue mich, meine Aufgabe als Trainerin in seiner ursprünglichen Form wieder mehr wahrnehmen zu können. Ich bin täglich am Eis und helfe den Berliner Vereinen, entlaste die Trainer und gebe Impulse und Erfahrung weiter. Ich arbeite mit Nachwuchs- und Juniorensportlern und betreue weiterhin Thomas Stoll. Ich mache das in Zusammenarbeit mit den Trainern, nicht als hauptverantwortliche Trainerin.  

Wie sieht Ihr persönlicher Rückblick auf die Zeit als Bundestrainerin aus?

Viola Striegler:
Die Arbeit als Bundestrainerin hat mir sehr viel Freude bereitet. Es war natürlich eine schwere Aufgabe, Bundestrainerin für die Großen zu sein, weil hier sehr erfolgreiche Trainer mit den Läufern arbeiten, so dass man damit sehr gefühlvoll umgehen muss. Aber ich denke, dass ich für den einen oder anderen Trainer hilfreich zur Seite stehen konnte. 

Haben Sie Ihre sportlichen Ziele erreicht?

Viola Striegler:
Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass wir im Herren-Bereich noch etwas weiter Richtung internationale Spitze vorstoßen. Mit Peter Liebers hatte ich 2014 in Sochi das große Ziel, eine olympische Medaille zu gewinnen. Nach dem fünften Platz im Kurzprogramm war das nicht mehr möglich und Peter wurde Achter. Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir eine größere Breite in den Konkurrenzen haben, so dass die Entwicklung stärker vorangeht. Unsere Spitzenläufer Paul [Fentz] und Nicole [Schott] sind bislang Einzelkämpfer. Es wäre schön, wenn wir bei Damen und Herren mehr Läufer hätten, die das Niveau unserer Besten hätten. Hier brauchen wir einen fließenden Übergang vom Junioren- in den Senioren-Bereich. 

Mit Ihrem Läufer Peter Liebers hatten Sie als Trainerin die größten Erfolge und wahrscheinlich schönsten Momente…

Viola Striegler:
Auf diese Zeit blicke ich sehr gerne zurück und auch auf die gesamte Entwicklung von Peter Liebers. Wir haben 16 Jahre miteinander verbracht. Es war durch seine schwerwiegenden Verletzungen ein Auf und Ab und eine Riesen-Herausforderung für uns, diese Wochen und Monate der Verletzung zu überstehen und ihn wieder an sein Leistungsniveau heranzuführen. Aber wir haben es jedes Mal geschafft. Das war schon eine sehr schwere, aber auch erfolgreiche Zeit. Das erlebt nicht jeder Trainer. 

Einen Olympia-Zyklus lang hatten Sie eine starke Trainingsgruppe mit eben Peter und Martin Liebers, Stefan Lindemann und Clemens Brummer…

Viola Striegler:
Ich blicke auch gerne auf den Zeitraum 2006 bis 2010 zurück, wo ich die vier besten Herren in Deutschland trainiert habe und mitentscheiden konnte, wer sich im Kampf um den Startplatz für die Olympischen Spiele durchsetzt. Das war eine sehr interessante Zeit. Das tägliche Training hat mir als Trainerin sehr viel abverlangt, um in der Gruppe einen gesunden Konkurrenzkampf zu haben und doch eine Team-Wirkung zu erzielen. Das ist mit den Vieren, die charakterlich dafür geeignet waren, sehr gut gelungen. 

Was muss ein guter Trainer mitbringen?

Viola Striegler:
Ein Trainer muss eine starke Persönlichkeit haben und von dem überzeugt sein, was er vermitteln und erreichen will. Nur dann kann er das mit Überzeugung an die Athleten weitergeben. Ein Trainer, der unsicher ist und zweifelt, wird keinen Erfolg haben und kein Team führen können. Es muss zwischen Trainer und Athlet ein Vertrauen herrschen. Und ich denke immer in Olympiazyklen. Der Trainer, der ganz oben ankommen will, muss das große Ziel vor Augen haben und sich nicht in ‚Januar, Februar, März…‘ und ‚noch ein Sprung und noch ein Sprung‘ verstricken. Das sind nur Mini-Mosaikbausteinchen. 

Wie sind Sie damals Trainerin geworden?

Viola Striegler:
Ich war Paarläuferin, bin Berliner Meister geworden, habe aber mit 16 Jahren aufgehört, weil die Größenverhältnisse mit meinem Partner nicht mehr gepasst haben. Während meiner Zeit am Gymnasium war ich dann Übungsleiterin für den Berliner TSC. Dank eines Fern-Sport-Studiums an der DHfK Leipzig konnte ich parallel direkt als Trainerin arbeiten. Das war gleich sehr praxisbezogen und ich konnte mir in Berlin meine Trainingsgruppe aufbauen und mit den Kindern vom ersten Schritt auf dem Eis bis hin zu den Junioren-Erfolgen arbeiten. Meine Schülerin Karin Hendschke war 1983 Vize- und 1984 Junioren-Weltmeisterin.

Ihre Bundestrainer-Position hat der US-Amerikaner Robert Dierking übernommen. Sehen Sie das Amt bei Ihrem Nachfolger in guten Händen? 

Viola Striegler:
Ich kenne Robert Dierking schon sehr lange, auch als er noch selbst Wettbewerbe gelaufen ist. Seine Arbeitsweise kenne ich von den DEU-Lehrgängen in der Schweiz, wo er in dem Schweizer Trainer-Team arbeitete. Ich schätze seine Arbeit sehr und habe ihn als Nachfolger sehr befürwortet. Daher konnte ich auch mit ruhigem Gewissen meine Tätigkeiten beenden. Ansonsten hätte ich bis Olympia 2022 schon noch durchgehalten.  

Der bisherige DEU-Ausbildungskoordinator Jens ter Laak hat die Stützpunktleitung in Berlin übernommen. Was wünschen Sie ihm für die neue Aufgabe?

Viola Striegler:
Ich drücke Jens ter Laak die Daumen, dass er sich bald einen Überblick über die Berliner Strukturen verschaffen kann, das ist nicht zu unterschätzen. Berlin ist riesig und in den Stützpunkten sehr unterschiedlich. Das ist eine große Herausforderung. Ich wünsche ihm ein gefühlvolles Händchen, gemeinsam mit den Partnern und dem Berliner Eissportverband eine Strategie zu finden, so dass alle gemeinsam in eine Richtung gehen und die Landestrainer administrativ entlastet werden können. 

Wie ist die aktuelle Situation in Berlin, gibt es viele nachrückende Talente? Und was denken Sie, wie man mehr Jungen für den Eiskunstlauf begeistern kann? 

Viola Striegler:
Die Corona-Krise hat natürlich Auswirkungen auf die Entwicklung der Sportler, weil die Wettkampfphase gefehlt hat und viele nicht trainieren konnten. Die Läufer sind aber weiterhin sehr motiviert. Es gibt nicht hunderte Talente, aber doch einige, die dringend weiter gefördert werden sollten. Man muss versuchen die Jungen durch Sichtungen zu finden und in spielerischer Form pädagogisch für den Sport zu begeistern. Wir sind eine Sportart, die sehr fesselnd und umfangreich ist. Wenn man einmal dabei ist, geht man so schnell nicht mehr weg. Und natürlich kann noch mehr Werbung für den Eiskunstlauf gemacht werden. 
 

Autor: Pamela Lechner
Foto: Viola Striegler mit Peter Liebers beim Gewinn der Goldmedaille bei der Winter-Universiade 2015 (privat).