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Nach über 40-jähriger Tätigkeit für die Deutsche Eislauf-Union (DEU) hat sich Martin Skotnický dieses Jahr aus seinem Amt als Bundestrainer Eistanzen verabschiedet. Mit Schwester Diana Skotnická war der gebürtige Slowake einst Winter-Universiade-Sieger 1970 sowie EM-Sechster und WM-Elfter 1973, bevor er als Trainer in Metz/Amnéville und später Oberstdorf durchstartete. Seine Erfolgsliste ist beeindruckend lang: Der 74-Jährige gewann bei EM, WM und Olympischen Spielen mit nationalen und internationalen Weltklasseläufern insgesamt 15 Medaillen. Im Interview erzählt der erfahrene Trainer, warum die legendäre Olympia-Goldkür von Torvill/Dean seine beste Schule war, Niederlagen eine Chance sind und was er sich von zukünftigen Trainern wünscht.

Martin Skotnický, Sie waren von 1980 bis 2007 Honorartrainer für die DEU und parallel selbständiger Trainer, seit 2007 Bundestrainer. Am 30. April 2022 war Ihr letzter Arbeitstag. Wie erging es Ihnen in den ersten Wochen und Monaten nach Ihrem Abschied? Können Sie überhaupt ohne Eiskunstlauf nach all den erfolgreichen und ereignisreichen Jahren sein? 

Es fiel mir nicht leicht, ich habe für den Eiskunstlauf gelebt und für die Deutsche Eislauf-Union gearbeitet. Ich habe alles gegeben, was ich konnte. Ich war immer ehrgeizig und wollte Erfolg haben. Der Erfolg der Läufer war auch mein Erfolg. Nun war der Tag X gekommen, an dem ich nicht mehr in die Eishalle muss. Langsam geht es mir besser und ich bekomme Abstand, ich gebe nur noch ab und zu Privat-Lektionen auf dem Eis. Für zwei Eis-Einheiten am Tag habe ich gesundheitlich nicht mehr die Kraft. Nicht nur die Läufer müssen den richtigen Zeitpunkt für ihr Karriereende finden, auch die Trainer. Noch ein Olympia-Zyklus bis 2026 wäre zu lang und zu viel für mich.

Selbst haben Sie neun Olympische Winterspiele als Trainer erlebt. Ihre ersten Winterspiele waren 1984 in Sarajewo als Trainer der damaligen Deutschen Eistanzmeister Petra Born und Rainer Schönborn, mit denen sie ein Jahr später, 1985, mit EM-Bronze ihre erste internationale Medaille als Trainer gewannen. In Erinnerung geblieben ist Ihnen bei Ihrer Olympia-Premiere sicher auch die legendäre Olympia-Goldkür „Bolero“ der britischen Eistänzer Jayne Torvill/Christopher Dean?

Ja. Als ich 1980 als Trainer nach Oberstdorf gekommen bin, war das Bundesleistungszentrum mit hervorragenden Trainingsmöglichkeiten auf drei Eisbahnen etwas Besonderes. Zur gleichen Zeit begann auch Betty Callaway dort als Trainerin mit ihrem Paar Jayne Torvill/Christopher Dean zu arbeiten. Wir waren zur selben Zeit auf dem Eis und haben uns angefreundet. Wenn ihre Trainerin in England war, habe ich Torvill/Dean im Training gefilmt und geholfen. Auch Betty Callaway beriet mich, was wir bei Born/Schönborn verbessern können, sie war meine Mentorin. Das war die beste Schule für mich, ich habe viel gelernt. Ich habe die Entstehung der Boler-Kür täglich gesehen, vom ersten Schritt in Oberstdorf bis zum Auftritt in Sarajewo. Das war natürlich ein Highlight. Ich war so glücklich bei ihrem Sieg, das war ein toller Erfolg.

Die freundschaftliche und konstruktive Zusammenarbeit mit Christopher Dean ging danach weiter. Er hat Sie bei den Choreographien für das bekannte französische Geschwisterpaar Isabelle und Paul Duchesnay unterstützt. Bei der WM 1991 in München gewannen sie in der Olympiahalle vor stimmungsvollem Publikum den WM-Titel. Was war das für eine Geschichte?

Die Kür von Isabelle und Paul zum Thema Spiegelbild war bei der EM bei Preisgericht und Publikum nicht so gut angekommen wie gewünscht. Dennoch gewannen sie Silber. Danach habe ich mich mit Christopher Dean beraten und wir haben uns für eine neue Kür entschieden, den zweiten Teil von „Missing“. Das war eine Riesen-Überraschung für unsere russische Konkurrenz. Die Halle in München stand hinter uns, die Zuschauer wussten, dass wir in Oberstdorf trainieren. Das war eine einmalige Situation und ein sehr glücklicher Erfolg mit der in kurzer Zeit durch Fleiß und harte Arbeit erstellten neuen Kür.

Welche Olympischen Spiele sind Ihnen sonst noch in ganz besonderer Erinnerung geblieben?

Alle. Natürlich waren für mich die ersten Olympischen Spiele etwas Besonderes. Ich war als Läufer selbst nie bei Olympischen Spielen, da Eistanzen zu meiner Zeit noch nicht olympisch war. Aber ich hatte die Möglichkeit als Trainer. Damit ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Es gab auch Enttäuschungen: In Albertville 1992 gewannen die Duchesnays als Gold-Favoriten nur Silber. Jedoch sind diese Olympia-Silbermedaille und die Goldmedaille bei der WM meine größten Erfolge. In Lillehammer 1994 wurden die Finnen Susanna Rhakamo/Petri Kokko nur Vierte, das war die Holzmedaille, Torvill/Dean holten bei ihrem Comeback hier Bronze. Aber im Jahr darauf 1995 wurden Rhakamo/Kokko Europameister in Dortmund und Vize-Weltmeister. Auch 2018 war speziell. Pyeongchang waren für Udo Dönsdorf [Anm. d. Red.: ehemaliger DEU-Sportdirektor] und mich die letzten Olympischen Spiele und damit unser Abschied. Natürlich war die Goldmedaille von Aljona Savchenko und Bruno Massot ein Highlight. Hier habe ich zum Erreichen der Medaille auch einen kleinen Beitrag geleistet. Christopher Dean machte die Choreographie und ich half bei Fragen und Weiterentwicklung. Diese Arbeit ist uns als Team gelungen. Wie die Bolero-Kür 1984 war diese Kür auch etwas Besonderes für mich.

Martin Skotnický bei seinen letzten Olympischen Winterspielen 2018 mit dem DEU-Team.

Sie haben es angesprochen. In den 90er-Jahren waren Sie auch Trainer der finnischen, mehrfachen internationalen Medaillengewinner Susanna Rahkamo/Petri Kokko. Mit ihnen hatten Sie die Ehre 2008 den Finnstep (Quickstep) als neuen ISU-Pflichttanz einzuführen. Kreiert wurde dieser Finnstep von Rahkamo/Kokko und Ihnen 1995 – damals ein Teil zum EM-Titel.

Aus deutscher Sicht war wahrscheinlich Ihr größter Erfolg WM-Bronze mit den sechsmaligen Deutschen Meistern Kati Winkler/Rene Lohse 2004 vor heimischem Publikum in Dortmund?

Es war ein schwieriger Wettkampf wie mit den Duchesnays in München, wo wir die Kür zwischen EM und WM wechseln mussten [lacht]. Rene hatte sich Anfang der Saison beim Nations Cup in Gelsenkirchen am Knie verletzt und sie konnten nicht trainieren. Wir waren kurz davor, aufzugeben, aber wir wollten es probieren. Als wir die Bronzemedaille gewonnen hatten, war das wie Gold für uns. Es war sehr emotional. Kati und Rene waren von der Optik her ein Traumpaar.

Seit 2007 haben Sie als Bundestrainer die deutschen Eistanzpaare in Zusammenarbeit mit ihren Heimtrainern zu EM, WM und Olympia kompetent begleitet. Was konnten Sie mitgeben?

Wenn man meine Geschichte sieht, so habe ich als Heimtrainer mit meinen Läufern andere Ergebnisse erreicht als in meiner Zeit als Bundestrainer. Als Bundestrainer bin ich neutral und habe keine Paare in meiner Verantwortung. Ich habe versucht, allen Paaren gleich zu helfen. Meine Möglichkeiten als Bundestrainer sind teilweise dadurch begrenzt, dass die Kollegen einerseits eine andere Eislauf-Technik vertreten und andererseits eine andere Vorstellung von der Ausführung der Programme haben. Trotzdem brachte meine Arbeit eine gewisse Frische und Abwechslung in den Trainingsalltag und förderte dadurch die Kreativität und Leistung. Ich hatte eine tolle Zeit als Bundestrainer. Ob aus Berlin, Dortmund oder Oberstdorf, alle Paare haben es zu den Olympischen Spielen geschafft, was immer das Ziel war. Nelli Zhiganshina und Alexander Gazsi haben bei EM und WM die Top Ten erreicht.

Wo sehen Sie Chancen und Entwicklungspotenzial im deutschen Eistanz? Was muss geschehen, um näher an die Weltspitze heranrücken zu können?

Wir haben sehr gute Trainingsmöglichkeiten in Deutschland. Die neue Generation der Läufer hat sich etwas geändert, oft fehlt es an Fleiß und Ehrgeiz. Aber auch die Trainer müssen sich fragen, wie viel Einsatz möchte ich bringen und wie weit möchte ich kommen. Sie sind für die jungen Läufer verantwortlich so wie Vorbilder. Mit Talent, Fleiß und Ehrgeiz aller Beteiligten können wir es schaffen, international wieder konkurrenzfähig zu werden. Ich wünsche mir, dass die nachkommenden Trainer – auch meine früheren Schüler – ihre eigenen Ideen entwickeln und passend für jedes Paar umsetzen.  

Was war Ihr Erfolgsrezept als Trainer?

Man muss eine Idee haben, präzise und fleißig sein. Wenn die Trainer den Sport Eiskunstlauf lieben und etwas erreichen wollen, dann kommt der Erfolg. Ich hatte als Trainer immer das Ziel, internationale Medaillen zu gewinnen. Meine Visitenkarte ist mein Erfolg, habe ich mir gesagt. Ich habe Niederlagen erlebt, ich habe aus jeder Niederlage gelernt und mich gefragt, was kann ich besser machen und das hat meistens zum Erfolg geführt. Ich war mit meinem verrückten Team sehr revolutionär, wir wollten den Eistanz für das Publikum zu etwas Besonderem machen. Meine Idee war damals: Ich muss neu und anders sein als die Konkurrenz aus Moskau. Viele Jahre waren wir in Oberstdorf die internationale Spitze.

Ein Riesen-Dank geht an meine Familie, vor allem meine Frau und Co-Trainerin Bruni Skotnický, die mich all die Jahre unterstützt hat.

Sie haben Jahrzehnte die Disziplin Eistanzen gelebt und mitgeprägt. Wie sehen Sie die aktuelle, weltweite Entwicklung der Sportart? Gefallen Ihnen die modernen Musiken, z.B. das Thema Street Dance der letzten Olympiasaison?

Die Zeit meiner Paare war für den Eistanz mit dem 6.0-System die goldene Zeit. Durch das neue Wertungssystem ist viel vorgeschrieben, die Schritte, die Hebungen, die Pirouetten. Das Team in Montreal arbeitet sehr gut, die Weltklasse-Paare laufen verschiedene Charaktere. Ich hoffe, dass das so weitergeht. Durch die verschiedenen Rhythmustänze müssen die Eistänzer jedes Jahr einen neuen Rhythmus interpretieren. Das ist gut für die Entwicklung der Paare und der Disziplin Eistanzen.

Wie werden Sie das Eiskunstlauf-Geschehen weiterverfolgen?

Wenn ich noch fit bin, werde ich natürlich zu den Olympischen Winterspielen in Mailand 2026 kommen und die Eiskunstlauf-Wettbewerbe ansehen.

Ich bedanke mich für das Interview und die 42 Jahre gute Zusammenarbeit mit der Deutschen Eislauf-Union.
 


Jubel über Olympia-Gold im Paarlaufen im deutschen Eiskunstlauf-Team, mit dabei Martin Skotnický (re.)

Martin Skotnický bei den Winterspielen 2014 in Sochi.

Martin Skotnický in jungen Jahren als Eistänzer mit Schwester Diana Skotnická.

Autor: Pamela Lechner

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